In der Kategorie “Epic Lyrics” möchten wir euch ab sofort, in unregelmäßigen Abständen, Songtexte vorstellen, die das Etikett “episch” in jeder Hinsicht verdienen. Beginnen möchte ich mit einer Band aus unserem Heimatland: Don’t Drop The Sword. Ausgewählt habe ich den Track “Sword And Sorcery” von der EP The Wild Hunt, veröffentlicht im Oktober 2019.
Nun darf man zunächst einmal festhalten, dass das im Jahr 2016 in Erding (Bayern) ins Leben gerufene Quintett über einen der epischsten Bandnamen in der gesamten Metalszene verfügt. Eingängig geht anders, aber gerade das augenzwinkernde Spiel mit Klischees finde ich stets ganz besonders reizvoll. Ich mag ja auch “Warriors Of The World United”. Don’t Drop The Sword haben neben der eingangs genannten EP bis dato eine weitere EP, Into The Fire, sowie einen Longplayer, Path To Eternity (beide 2017), aufgenommen. Wer die Jungs einmal in Aktion sehen und hören möchte, möge auf das folgende Video klicken – und sich danach alle aufgeführten Outputs rasch anschaffen.
In stilistischer Hinsicht haben wir es bei der Formation in erster Linie mit Power Metal zu tun, den man auch als leidenschaftliches Blind Guardian-Worshipping einstufen kann. Insbesondere Antis starker Gesang erinnert frappierend an Hansi Kürsch, den Frontmann der Krefelder Legende. Selbstverständlich sind Don’t Drop The Sword keine Coverband, weil sie ausreichend eigene Akzente setzen und Songs schreiben, die in qualitativer Hinsicht die jüngsten Tracks der Inspirationsquelle meiner Meinung nach oftmals deutlich in den Schatten stellen. Nein, so stark waren Blind Guardian (durchgängig) zuletzt im Jahr 1998 auf dem grandiosen Nightfall In Middle-Earth. Ein Album, das wir auf diesem Blog auch einmal thematisieren sollten…
“Sword & Sorcery” gehört zu den besten Nummern im Arsenal der Bayern, da uns Don’t Drop The Sword eine Power Metal-Komposition präsentieren, die in unter fünf Minuten auf den Punkt kommt, abwechslungsreich ist und eine epische Atmosphäre schafft. Dafür sorgen nicht zuletzt die Lyrics, die jeder Epic Metal-Truppe gut zu Gesicht stehen würden. Doch der Reihe nach…
Forged in the fire of ancient times; A warrior’s desire, brought forth to enemy lines; In steel we trusted our lives for nothing else would suffice; Yet dreadful swords of evil became our final demise
Wir werden schon im ersten Vers in eine andere Welt, in “ancient times”, (zurück-)versetzt, sodass die eskapistische Note von Epic Metal-Texten gleich zu Beginn deutlich wird. Wir dürfen abtauchen und eine Reise antreten, die uns vom Alltagstrott ablenkt. Wer kann das insbesondere in diesem weitgehend ätzenden Jahr nicht gebrauchen? Als Held fungieren mutige Krieger, die ihr Leben dem Kampf gewidmet haben, letztendlich jedoch bösen, nicht näher vorgestellten Kräften zum Opfer gefallen sind.
They came with iron and fire, black riders of doom; Slaughtering all of my kin before the rise of the moon; So the legend begins of one who would be king; Out of tragedy’s dead end, all bards forever will sing
An dieser Stelle wechselt die Perspektive von der Wir- in die Ich-Form. Wir stoßen auf ein klassisches Motiv in epischen Lyrics: Der Protagonist muss fürchterliche Schicksalsschlägen verkraften, seine gesamte Sippe wird – vielleicht sogar vor seinen eigenen Augen – abgeschlachtet. Der Spannungsaufbau ist an dieser Stelle sehr gelungen, weil sich die Hörer fragen, wie es der Zurückgebliebene nach dieser Tragödie, welche vor allem die Überlegenheit des grausamen Feindes unterstreicht, auf den Thron schaffen könnte, um das Amt des Königs auszuüben. Interessant ist der Verweis auf die Barden, die sich künftig dieser blutrünstigen Geschichte annehmen werden. Angesichts der skizzierten stilistischen Nähe zu Blind Guardian haben wir nun mutmaßlich allesamt den überlebensgroßen “The Bard’s Song (In The Forest)” (1992) im Ohr.
Sword and Sorcery, the secret of steel; I’m heeding your call, so my scars can heal; Sword and Sorcery, a tale of revenge; Brave and glorious until the end; No time to cry, no time to bleed; If I should fall in battle, so let it be!
Wegen der schrecklichen Verluste, die das lyrische Ich zu verkraften hatte, ist es nicht erstaunlich, dass es auf Rache sinnt. Es folgt daher dem Ruf von “Sword and Sorcery”, sodass ein “tale of revenge” verfasst werden kann. Nur so können seine Narben heilen. Obligatorisch ist in solchen Lyrics der Verweis auf den Mut sowie die Todesverachtung des Protagonisten, der ein klassischer Held ist, welcher sich dem Bösen stellt. Die Schwarz-Weiß-Malerei gehört natürlich ebenfalls zum Standardrepertoire – Saruman, Sauron und Co. lassen grüßen.
Defying the snakes of madness, the cult of the damned; Gone are the years of sadness, they all shall die by my hand; Grinding through their bodies, their blood will cover the land; Even death won’t stop me, I shall return for one last stand
Im Anschluss erfahren wir mehr über den Feind, der einen “cult of the damned” verkörpert. Das lyrische Ich besiegt erst den Wahnsinn, man könnte auch sagen: das Trauma nach dem grausamen Tod seiner Sippe, ehe es seinen Rachefeldzug zu einem erfolgreichen Ende führt. Die Jahre der Trauer sind vorbei, als der tapfere Held – möglicherweise im Alleingang – seine Gegenspieler unnachgiebig zur Strecke bringt. Selbst der Tod könne ihn nicht stoppen.
Beheading the Lord of Darkness to end his venomous reign; Avenging all of my people, reaping the roots of my pain
Der Herr der Dunkelheit fällt, seine Herrschaft endet, als das lyrische Ich seine Leute rächt und somit gleichzeitig seinen Schmerz ultimativ besiegt. Vor dem Hintergrund des obigen Verses “So the legend begins of one who would be king” gelingt es ihm offenkundig, den Thron zu besteigen. Darüber erfahren wir aber nichts weiter – ich plädiere demnach für eine Fortsetzung.
We stand on the battlefield of life, fighting to live before we die
“Sword And Sorcery” endet mit einem Vers, der in dieser oder abgewandelter Form in zahllosen Epic Metal-Songs vorkommt. Das Leben ist ein Schlachtfeld – wir werden aufgerufen, uns dem Kampf zu stellen, der essenziell ist, um wirklich/wahrhaftig leben zu können.
Die Nummer entführt die Hörer, wie eingangs geschrieben, in eine andere Welt, die uns an Der Herr der Ringe, Game of Thrones oder mehrere Klassiker der Fantasy-Literatur denken lässt. Dahinter verbirgt sich, wie so oft in Epic Lyrics, eine zweite Bedeutungsebene, die das Ganze erst richtig interessant macht. “Sword And Sorcery” ermahnt uns, nach Schicksalsschlägen nicht aufzugeben und uns unseren Dämonen zu stellen. Der “Lord of Darkness” kann in zahlreichen unterschiedlichen Gestalten auftreten – ich denke, jeder von uns dürfte hier eine andere, äußerst persönliche Geschichte abrufen können. Manche von uns haben zum Beispiel eine schwere Krankheit besiegt, die existenzielle Fragen hervorruft. Wohl alle von uns mussten sich in der Vergangenheit von geliebten Menschen und Tieren verabschieden, die uns lange begleitet haben und deren Verlust uns mit den “snakes of madness” konfrontiert. Schmerz benebelt nicht selten die Sinne – die Frage ist, ob man ihn irgendwann bändigen kann. Dem Helden in “Sword And Sorcery” ist es gelungen!
Ein Rachefeldzug, der in diesem Zusammenhang ausschlaggebend ist, mutet archaisch an, aber jeder von uns hat einer anderen Person schon einmal die Pest an den Hals gewünscht. Es treten immer wieder Zeitgenossen auf, die uns Knüppel zwischen die Beine werfen. Nun sollten wir sie nicht mit dem Schwert niederstrecken, allerdings bleibt uns häufig nichts anderes übrig, als den Kampf anzunehmen – es kann sich um einen intriganten Arbeitskollegen, den Partner in einer toxischen Beziehung oder Politiker handeln, die es an der Wahlurne zu besiegen gilt. Seien wir einmal ehrlich: Solange wir Wut empfinden, sind wir noch lebendig. Wut, die uns auf die Straße treibt, um für Meinungsfreiheit, gegen systematischen Rassismus oder die Zerstörung unseres Planeten zu demonstrieren. Ohne Wut, ohne den Wunsch, sich an den (vermeintlichen) Verursachern allen Übels zu rächen, schreitet niemand zur Tat. Ich möchte niemals so abgestumpft sein, dass ich Ungerechtigkeiten nur noch mit einem Schulterzucken quittiere. Dann höre ich wohl keinen Epic Metal mehr, sondern nur noch Jazz (da kämen auch wieder die “snakes of madness” ins Spiel).
Strahlende Helden à la “Sword And Sorcery” werden die meisten von uns nicht sein. Allerdings ermahnen uns Don’t Drop The Sword, nicht zu verzagen und – so meine Interpretation – im Rahmen unserer Möglichkeiten mutig zu sein. “Lords of Darkness” gibt es anno 2020 im Überfluss, sie lauern an jeder Ecke – überlassen wir ihnen zumindest nicht kampflos das “battlefield of life”. “Don’t drop the sword” lautet demnach das Credo!