Laut dem Infozettel wurde das selbstbetitelte Debüt von Servants to the Tide über gut anderthalb Jahre hinweg aufgenommen bzw. fertiggestellt. Gut Ding will Weile haben, muss man hier wohl ohne Zweifel attestieren, da die Band um Mastermind Leonid Rubinstein ein fantastisches erstes Album ins Rennen schickt. Ein trockener, undergroundiger Sound, der aber keineswegs „unprofessionell“ oder unausgereift klingt, sondern in gutem Einklang mit dem klassisch-epischen Doom Metal der Truppe genau die richtige Power mitbringt.
Womit wir beim Genre wären; wie der Name dieses Blogs vielleicht schon suggeriert, geht es uns hier um epische Momente, Pathos und eben den Epic Metal als solchen. Grob gesagt sind Servants to the Tide wohl eine Epic Doom Metal-Band, die ihre Einflüsse nicht unter den Scheffel stellt. Im Gegenteil, das Trio trägt eben diese stolz wie ein Banner vor sich her in die Schlacht und weckt Assoziationen mit den Größen des Genres, wie Solstice (besonders in den Twin Guitar-Melodien), DoomSword, While Heaven Wept und – ganz besonders – Atlantean Kodex. Dass es hier nicht um irgendwelchen Kiffer-Stoner „Doom“ geht dürfte damit schon klar sein.
Also, was erwartet den geneigten Hörer auf dieser kurzen (ca. 34 Minuten), aber intensiven Reise durch den EpicMetal-Kosmos? In den fünf Songs (plus ein Intro) servieren Servants to the Tide lupenreinen, aber erfrischend eigenständigen Epic Metal, der besonders durch seinen Abwechslungsreichtum und einfallsreiche lyrische Themen besticht.

Wir steigen ein, mit dem ruhigen wie heroischen Intro Departing From Miklagard, welches nicht nur durch den Titel wie eine Hommage an die epische Wikinger-Ära von Bathory wirkt. Mit Akustikgitarre und sanften Melodien wird der Hörer so in das Album eingeführt, bevor A Wayward Son’s Return gleich mit kräftigen, harten Doom-Riffs einsteigt, die die Atlantean Kodex-Verehrung bereits andeuten, ohne jedoch zum Plagiat zu verkommen. Ein starker, stampfender Track mit wehmütigen Lyrics (wie eigentlich das ganze Album), der mit abwechslungsreichem Drumming und dem guten Zusammenspiel von Riffwänden und fragilen Gitarrenmelodien heraussticht.
Es folgt das Highlight und, für mich, Herzstück des Albums: North Sea ist sowohl lyrisch als auch musikalisch die Quintessenz von Servants to the Tide und haut einen in seinen gut acht Minuten Spielzeit vom ersten Hören an komplett aus den Latschen! Mit extrem starken melodischen Klavierpassagen (!) begleitet von herrlich emotionalem Gesang im Wechselspiel mit wehmütigen While Heaven Wept– oder Kodex-Riffs und -Melodien trägt einen dieser Song über die grau-blauen Wellen der Nordsee, lässt einen das Salz regelrecht schmecken, den Wind in den Haaren spüren. Phänomenales Songwriting auf jeder Ebene! Das Nostalgisch-Wehmütige der Lyrics, oft mit maritimen Themen oder über Reisen (auch zwischen dieser und der nächsten Welt) repräsentiert das ganze Album sehr gut und Sänger Stephan Wehrbein bringt diese Emotionen perfekt an den Hörer.
Es folgen weitere Bretter mit On Marsh and Bones (The Face of Palmyra), mit einem herrlichen Chorus, der an Epik kaum zu überbieten ist und Your Sun Will Never Shine For Me mit Solstice-Gedächtnis Twin-Leads, bevor das Album mit einem weiteren Achtminüter abschließt, dem quasi selbstbetitelten Song A Servant to the Tide. Letzterer fährt dann auch nochmal alle Trademarks auf, emotionale Riffs, abwechslungsreiches Drumming und Songstrukturen und klasse Vocals, erweitert diese aber noch um gutturale Guestvocals. Das lässt den Song etwas aus dem bisherigen Fluss des Albums herausfallen, fügt dem Gesamtwerk aber eine weitere interessante Note hinzu. A Servant to the Tide hat durch den Wechselgesang eine gewisse 90er Jahre Doom/Gothic-Metal Schlagseite à la alten Paradise Lost, My Dying Bride oder Saturnus, die ebenfalls fantastisch zur Albumthematik passt. Der Song schließt mit einem weiteren Klavierpart (gespielt von Gatekeepers Jeff Black).
Nach unglaublich aufregenden und mitreißenden ca. 30 Minuten ist dann leider Schluss – der Repeat-Knopf wird glühen! Für Genrefans und Leute, die sich generell mit schleppendem anspruchsvollen Heavy Metal anfreunden können, ist das Debüt von Servants to the Tide sicher ein gefundenes Fressen! Die internationale Epic Doom-Szene hat einige extrem starke Vertreter, aber dennoch gibt es noch jede Menge Platz für neue, spannende Newcomer, schließlich werden Solstice, Candlemass und co. nicht ewig da sein und Atlantean Kodex werden zwar auf immerdar unerreicht bleiben, aber wenn in ihrem Kielwasser solcherlei Großartigkeiten unterwegs sind, umso besser!
(Ansgar Hastenpflug)

Ein Kommentar zu „Review: Servants to the Tide – s/t“