Release: 2021/06/18
On Atlas’ Shoulders aus Frankfurt am Main gehören ganz offensichtlich zu den produktiveren Vertretern ihrer Zunft: Obwohl die Band erst im Jahr 2018 aus der Taufe gehoben worden ist, legt sie nun mit Hyperion bereits ihren zweiten Longplayer vor. In welchem Maße “Corona” für die rasche Fertigstellung des Nachfolgers ihres Debüts Invictus (2020) verantwortlich ist, ist mir nicht bekannt. Mutmaßlich sollten wir das demnächst mal im Rahmen eines Interviews klären.
Was bieten uns die beiden Gründungsmitglieder Marius Bönisch (Gesang) und Ben Chadwick (Gitarre, zudem Bass) sowie ihre beiden Mitstreiter Björn Anders (ebenfalls Gitarre) und Leonard Pick (Schlagzeug) an? Auf dem Promo-Zettel ist selbstbewusst von “Epic Heavy Metal of the highest order!” die Rede. Nun, dass wir als Epic Metal Blog bei solch einer stilistischen Einordnung hellhörig werden, dürfte niemanden erstaunen.
Aber ist dieses Etikett, das einem in letzter Zeit immer häufiger begegnet, auch gerechtfertigt? Meine klare Antwort lautet: Jein. Ehrlich gesagt habe ich vor dem ersten Lausch etwas anderes erwartet. Meines Erachtens sind On Atlas’ Shoulders in erster Linie eine moderne Heavy Metal-Band, die ab und zu ein paar epische Elemente in ihre Musik einfließen lässt. Wer unseren Blog kennt, weiß inzwischen, dass wir regelmäßig nach Definitionen des Begriffs “Epic Metal” fragen – um daraufhin von zehn Künstlern elf verschiedene Antworten zu erhalten. Insofern spiegelt meine Einschätzung auch bloß ein rein subjektives Empfinden wider. Urteilt also selbst…
Letztendlich ist das Etikett auch gar nicht relevant. Entscheidend ist die Qualität der Musik – und die ist über jeden Zweifel erhaben. Während des ersten Durchgangs haderte ich noch ein wenig mit Marius’ Vocals, inzwischen laufen sie mir allerdings hervorragend rein. Anscheinend musste ich mich erst an seine Stimmfarbe gewöhnen. Die Gesangslinien, die er auf Hyperion zum Besten gibt, sind in der Regel weit vom 08/15-Einheitsbrei entfernt, den wir viel zu oft geboten bekommen (hört mal in “Flight of the Falcon” rein). Somit bleiben zahlreiche Songs schon nach zwei, drei Durchläufen dauerhaft im Ohr – und man hat einfach Bock, sich die Scheibe ein weiteres Mal anzuhören. Auch das kernige Riffing ist keineswegs generisch: Obwohl hier nichts neu erfunden wird (wie auch?), ist die Gitarrenarbeit abwechslungsreich und oftmals auch ziemlich verspielt sowie anspruchsvoll. Die spritzigen Soli sorgen für einen hohen Unterhaltungswert, der selbstverständlich in der Live-Situation noch einmal um ein Vielfaches gesteigert werden dürfte. Die Rhythmusabteilung, die hier nicht unerwähnt bleiben soll, sorgt für das mehr als solide Fundament, auf dem sich Marius und Sechssaiter austoben. Zur Sicherheit sei gesagt: Ja, das Klangbild ist nicht retro, sondern modern, allerdings klingen die Drums keineswegs klinisch steril oder allzu ballerig.
Das Songmaterial ist erfreulicherweise ziemlich abwechslungsreich: Auf Hyperion, knapp 40 Minuten lang, finden sich ein breitbeiniger Fun-Rocker namens “Biohazard”, erhabene Melodien (man lausche zum Beispiel “Age of Fire” oder “Brothers in Arms”, wohl DER Singalong-Track live) und vor allem klassischer Heavy Metal, der an einigen Stellen auch Richtung (Euro) Power Metal schielt – ohne jemals süßlich zu werden. Da uns On Atlas’ Shoulders mit reichlich Hooks verwöhnen, bieten sich gleich mehrere Nummern als Anspieltipps an: Herausgreifen möchte ich den catchy Adrenalin-Spender “The Executioner” (perfekter Opener!) und das mitreißende, hochemotionale “To the Wolves”, auf dem nicht zuletzt Marius zeigt, was er auf dem Kasten hat. Achja, “Ruins”, DEN potenziellen Hit, habe ich ganz vergessen… Ihr seht, der Gabentisch ist üppig gefüllt.
Fazit: Hyperion dürfte den meisten Headbangern munden, die Heavy Metal-Alben mögen, die traditionsbewusst sind, aber nicht wie ein Vintage-Produkt aus den 1980er Jahren klingen. Abgestanden-muffig ist hier gar nichts. On Atlas’ Shoulders kredenzen uns Songs, die man bei ein paar Kaltgetränken mit guten Kumpels, zum Leidwesen der Nachbarn, in vollen Zügen genießen kann. Gleichzeitig verfügen die Kompositionen im Ganzen gesehen über so viel Tiefgang, dass man sie sich auch prima allein, ganz in Ruhe zu Gemüte führen kann. Es gibt schließlich genug zu entdecken, auch ein paar interessante Basslinien, die den Einfallsreichtum der Jungs unterstreichen. Daher: Klare Kaufempfehlung – erwartet nur bitte (!) kein Epik-Fest à la Visigoth und Co., On Atlas’ Shoulders beackern nämlich, wie oben dargelegt, vorwiegend ein anderes Spielfeld. Und das tun sie exzellent!

2 Kommentare zu „Review: On Atlas’ Shoulders – Hyperion“