Wenn man in einer Social Media-Blase lebt, in der sich vor allem Musikliebhaber tummeln, darf man in seiner Timeline jeden Tag zahllose perfekt in Szene gesetzte Platten bewundern. Häufig spendiere ich wie auf Autopilot einen “Daumen hoch”, manchmal gibt es einen kurzen Austausch über ein Juwel, das ich ebenfalls schätze und in seltenen Fällen werde ich von den visuellen Reizen sogar zum Kauf animiert. Aber ganz oft bin ich in erster Linie ratlos.
Bei einigen Facebook– bzw. Instagram-Bekanntschaften frage ich mich nämlich, wann sie sich all ihre Neuanschaffungen mal in Ruhe anhören. Wie können sie es überhaupt zeitlich schaffen, über eine längere Periode mit Haut und Haar in einem Album zu versinken? So – und jetzt klinge ich sehr alt – wie es “früher” üblich war. Früher, als eine Scheibe etwas Besonderes war. Fast so wie ein Derby oder Pokalfinale. Als man sich monatelang auf den Release gefreut hat und am “großen Tag” aufgeregt zum Plattenhändler seines Vertrauens geeilt ist. Damals hörte man sich seine Eroberung wochen- oder monatelang nahezu tagtäglich an, bis man die Lyrics auswendig und jedes Gitarrensolo fehlerfrei mitsummen konnte.
Diese Zeiten sind offenkundig vorbei. Das gilt selbstverständlich nicht für jeden. Allerdings habe ich den Eindruck, dass für viele der Besitz und allen voran dessen Zurschaustellung in der digitalen Welt an erster Stelle steht. In den Kommentarspalten geht es dann auch regelmäßig um Limitierungen oder besonders ausgefallene Vinyl-Farben, die sich im Übrigen wiederum hervorragend für ein Social Media-taugliches Pic eignen (60 Likes garantiert!). Ich stelle fest, wie sehr mich das inzwischen amüsiert. Oder langweilt. Oder ärgert – kommt auf meine allgemeine Gemütsverfassung an.
Nein, ich möchte mich an dieser Stelle gar nicht “moralisch” über diese Gruppe erheben. Das wäre ebenso elitär-anmaßend wie komplett albern. Aber Musik ist doch weitaus mehr als Konsum – gerade in unserem Genre. Das rede ich mir zumindest ein. Vielleicht ist es für uns alle (!) die größte Herausforderung, uns zu beschränken und Künstlern auf diesem Wege die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie verdienen. Es gibt so viele Alben, die erst nach 15, 20 Durchläufen ihre wahre Pracht andeuten. Als Musikliebhaber braucht man auch Geduld – und somit Zeit. Und diese Zeit hat man nicht, wenn der DHL-Bote bereits das nächste Boxset aus Griechenland geliefert hat, von dem man gar nicht mehr wusste, dass man es überhaupt irgendwann einmal geordert hatte. Weniger ist in diesem Fall mehr. Viel mehr!