Release: 28.05.2021
Im US-Bundesstaat Pennsylvania hat sich in den letzten Jahren offensichtlich eine lebendige Underground-Szene entwickelt, die uns bereits vielversprechende Bands wie Sumerlands, Crypt Sermon und Legendry geschenkt hat. Blazon Rite aus Philadelphia setzen diese Tradition fort: Nachdem die Heavy Metal-Formation im letzten Jahr bereits mit ihrem ersten Release Dulce Bellum Inexpertis E.P. dezent auf sich aufmerksam gemacht hat, liegt uns nun ihre Debüt-LP Endless Halls of Golden Totem vor. In der Kategorie “epischste Albentitel 2021” liegen Johnny Halladay (Gesang), James Kirn (Gitarre), Pierson Roe (Gitarre, Bass, Synths) und Ryan Haley (Schlagzeug) schon einmal ganz weit vorne. Wenn man sich dann noch das herrliche Coverartwork zu Gemüte führt, hat man auf die anstehenden acht Songs, dargeboten in fast exakt 38 Minuten, richtig Bock.
Um eines vorwegzunehmen: Blazon Rite servieren uns ein besonderes Album, das ohne Wenn und Aber aus der oftmals angeführten Masse heraussticht. Dafür ist in erster Linie ein Protagonist verantwortlich: Johnny Halladay! Der Mann am Mikro lenkt die Aufmerksamkeit der Hörer mit einem bemerkenswerten Stil sowie einfallsreichen Gesangslinien auf sich. Halladays Vortrag ist recht variabel (z.B. “Into Shores of Blood”) und bisweilen durchaus theatralisch (z.B. “The Night Watchmen of Starfall Tower”), in erster Linie jedoch ziemlich kauzig. Kurzum: Blazon Rite konfrontieren uns mit der berühmten “Love it or hate it”-Geschichte, die Bands aus meiner Sicht erst so richtig interessant macht.
Ein weiterer Punkt, mit dem sich die Jungs aus dem Nordosten der Vereinigten Staaten von der Konkurrenz im Genre ein wenig absetzen, ist der Einsatz von Synths. Nun ist mir klar, dass spätestens an dieser Stelle manche Trueheimer entsetzt die Flucht ergreifen – allerdings wendet Pierson Roe das oftmals verschmähte Instrument wohldosiert an, zum Beispiel im Opener “Legends of Time and Eidolon”, dem abwechslungsreichen Titeltrack und allen voran in “Alchemist’s Brute”. In puncto Kreativität gibt es daher Sonderpunkte! Eher klassisch agiert die Gitarrenfraktion: Das kernige, häufig galoppierende Riffing unterhält jeden Headbanger prächtig. Die Heavy Metal-Soli sind in ihren besten Momenten spritzig und stets songdienlich, auf dieser Ebene dürfte sich wohl jeder Freund traditioneller Töne angesprochen fühlen. Der Kauz in mir wünscht sich hingegen noch mehr Wildheit bzw. Abgefahrenheit wie beim Briten Storrsson. Ziemlich präsent ist das Drumming, das Blazon Rite mit viel Punch antreibt, ohne dabei aufdringlich zu ballern. Vielleicht könnte das Klangbild generell etwas mehr Dreck vertragen – aber um das abschließend beurteilen zu können, müsste mir Endless Halls of Golden Totem in physischer Form vorliegen. Stand jetzt ist mir die Produktion ein bisschen zu sauber – ich gebe zu, das ist reine Geschmackssache.
Die acht Tracks, die sich auf der lyrischen Ebene allesamt um Fantasy-Themen drehen, benötigen unabhängig von diesen Gedanken eine Weile, um zu zünden. Wer dem Album nur zwei, drei oberflächliche Durchgänge gönnt, wird mutmaßlich enttäuscht sein: Blazon Rite kreieren nämlich keine catchy Hymnen wie zum Beispiel Visigoth auf Conqueror’s Oath. Allein die oben genannten eigenwilligen Gesangslinien sorgen – neben einigen mitunter überraschenden Rhythmuswechseln – für eine gewisse Sperrigkeit, die vom weitgehenden Fehlen von typischen Mitsingrefrains vergrößert wird – diesbezüglich stellt “The Night Watchmen of Starfall Tower” in meinen Ohren eine Ausnahme dar, weil hier das Fistraising-Potenzial besonders hoch ist. Ich denke, diese Nummer dürfte live ein echter Abräumer sein – komplett geil! Ein weiterer Anspieltipp ist obendrein der Rausschmeißer “Into Shores of Blood”, der mit einem verträumten epischen Intro, einem allmählichen Spannungsaufbau sowie einem Johnny Halladay in Top-Form überzeugen kann. Von diesem Stil würde ich auf dem zweiten Langspieler gerne mehr hören, da ich mich hier als Epic Metal-Fan, der es gerne stimmungsvoll-erhaben mag, vollständig abgeholt fühle.
Kurzum: Blazon Rite sind eine der vielen NWOTHM-Bands, die man zweifellos im Auge behalten sollte. Wie die eingangs angeführten Kollegen aus Pennsylvania haben die Jungs einen eigenen Stil, der jedoch meiner Meinung nach in der Zukunft zu verfeinern ist. Von mir aus könnten die Synths sogar noch häufiger eingesetzt werden, da ich hier eine Art Alleinstellungsmerkmal wittere. Ein paar Akustikpassagen könnten zudem der Atmosphäre zugute kommen – hier denke ich exemplarisch an die Kanadier Possessed Steel, die im letzten Jahr diesbezüglich Maßstäbe gesetzt haben. Generell gilt: Wenn die Instrumentalfraktion ebenso entfesselt zu Werke geht wie Halladay, ist ganz Großes möglich. So bleibt ein gutes Debüt mit Luft nach oben.
Performance: 80%
Songwriting: 75%
Creativity: 75%
Variety: 75%
Entertainment: 80%
Overall: 77%

Ein Kommentar zu „Review: Blazon Rite – Endless Halls of Golden Totem“