Interview: Flame, Dear Flame (Teil 1)

Wenn in einigen Monaten der Newcomer des Jahres gewählt wird, dürften Flame, Dear Flame Top-Positionen einnehmen. Mit Aegis hat das Quartett aus Braunschweig nämlich ein fantastisches Debütalbum veröffentlicht, das mit einem hohen Grad an Eigenständigkeit und tiefer Emotionalität überzeugt (lest euch dazu doch einfach mal unseren Review durch). Vor diesem Hintergrund freuen wir uns sehr, dass Gitarrist und Songwriter David Kuri (ehemals Booze Control) Zeit und Lust hatte, sich mit uns via Zoom über seine Band, Aegis und allerlei andere Themen auszutauschen. Heute präsentieren wir euch den ersten Teil dieses, wie wir finden, sehr informativen und lebendigen Interviews.

Die Herren Stein (Manilla Road) und Krause (Atlantean Kodex) sowie Kuri (Gatekeeper)

André: David, danke, dass du dir Zeit für unseren Blog nimmst. Wie geht es dir?

David: Gut, danke. So langsam geht mir der ganze Corona-Spaß doch auf die Nerven. Im ersten Jahr war es noch erschreckend erträglich, nicht rauszugehen. Mittlerweile denke ich aber: „Ja, Konzert wäre mal wieder ganz schön!“ Das ist natürlich meckern auf hohem Niveau wenn man an all die Menschen denkt, die durch die Pandemie persönliche Verluste hinnehmen mussten. Insofern kann ich mich nicht beschweren.

Aidan: Welches Album hast du zuletzt gehört?

David: Pale Swordsman von Këkht Aräkh – sehr romantischer Black Metal aus der Ukraine. Dafür habe ich eine Schwäche. Ich sah das Cover und dachte mir sofort: „Hey, das muss mir eigentlich gefallen!“ Kann ich nur empfehlen, hört mal rein.

Aidan: Und welches Album hast du zuletzt gekauft?

David: Pale Swordsman habe ich gestern bestellt. Dazu die neue Wheel-Scheibe und die neue Cross Vault.

André: Das klingt nach einem großartigen Einkauf! Ist dir eigentlich das Format wichtig? Kaufst du vor allem Vinyl?

David: Ich bin kompletter CD-Mensch, auch aus Gründen der Praktikabilität. Mittlerweile bin ich die meiste Zeit zu Hause, nicht nur coronabedingt, hier arbeite ich auch. Früher, als ich noch viel Auto gefahren bin, war die CD einfach praktischer. Ich habe mir auch immer selbst verboten, Vinyls zu kaufen, weil ich wusste, dass das nicht gut geht, wenn ich einmal damit anfange. Dann lasse ich da unheimlich viel Geld – und das ist schlecht, wenn man noch andere teure Hobbies hat. Daher: CD only für mich.

André: Wie stehst du abgesehen davon zum Trend, Alben in zig Vinyl-Farben herauszubringen? Ich nehme an, das plant ihr nicht…

David: Ich mag es wahnsinnig gerne, wenn sich eine Band über die Musik hinaus Gedanken macht, also auch über die Verpackung des Produktes. Possessed Steel haben das im letzten Jahr zum Beispiel sehr schön gemacht. Inwieweit da nun eine bestimmte Vinyl-Farbe nötig ist, weiß ich nicht. Für mich ist es aber wichtiger, dass das Artwork passt, das Booklet mehr ist als nur untereinander gesetzte Texte in Arial 10 Punkt. Es sollte schon etwas spannender sein. Das war auch unser Credo bei Flame, Dear Flame, das wir mit den zusätzlichen Karmazid-Artworks für das Booklet verfolgt haben. Es war uns ein Anliegen, dass die Verpackung zum Rest passt. Dieses Gesamterlebnis ist mir über die Jahre auch immer wichtiger geworden.

André: Plant ihr eigentlich auch eine Vinyl-Ausgabe? Diese Frage wurde kürzlich unter anderem im Deaf Forever Forum gestellt.

David: Ja, Vinyls sind in Planung. Die Testpressung war auch schon bei uns – die haben wir durchgehört und abgenickt, klingt fantastisch. Das Problem ist einfach rein technischer Natur. Die Presswerke sind alle ausgebucht und überlastet, alles wird verschoben. Durch Corona gibt es vermutlich Personalmangel, vielleicht auch Probleme in den Lieferketten. Einen Liefertermin haben wir noch nicht. Vor ein paar Monaten hätte ich noch gesagt, dass die Vinyls zum Release kommen. Jetzt würde ich eher sagen, sie kommen hoffentlich noch in diesem Jahr. Das Album wird übrigens in zwei Farben erhältlich sein: Schwarz und gold-splatter.

Aidan: Viele Leser kennen Flame, Dear Flame vermutlich noch nicht. Erzähle bitte mal etwas zur bisherigen Bandgeschichte. Wie habt ihr euch kennengelernt? Und was steckt hinter dem Bandnamen?

David: Okay, Kurzbiografie aus dem Stegreif: Es fing damit an, dass unsere Sängerin Maren und ich zusammen Musik gemacht haben. Sie hat vorher in diversen kleineren Bands gespielt. Ich habe meinen Hintergrund im Heavy Metal-Bereich. Wir haben uns zusammengesetzt und aus Spaß gemeinsam etwas gemacht: Ich an der Akustikgitarre, Maren singt dazu. Da gab es dann Cover von Bob Dylan oder Styx mit „Boat on the River“. Wir haben dann angefangen, diese Songs aufzunehmen und damit herumzuspielen. Diese Kombination aus ihren feinen, sehr melodischen Vocals und einem langsamen, schleppenden, wuchtigen Doom-Sound dahinter, war etwas, bei dem es bei uns sofort „klick“ gemacht hat, weil wir das so noch nicht kennen. Die Art und Weise, wie sie singt, ist im Metal sehr untypisch. Die Vergleiche mit Anneke van Giersbergen drängen sich auf, aber irgendwie hinken sie auch. Es ist ähnlich, aber doch auch wieder etwas ganz anderes. Das zeigt aber auch, wie unterbesetzt das ganze Thema „female vocals“ im Metal eigentlich ist. Da dürfte mit den Eigenheiten einer weiblichen Stimme sicherlich generell mehr experimentiert werden. Zum Bandnamen: Wir hatten einiges an Namensvorschlägen auf dem Zettel, so wie man das vermutlich macht, wenn man eine Band gründet. Wir hatten schon eine sehr klare Vorstellung, in welche Richtung es gehen soll. „Flame, Dear Flame“ ist ein Zitat aus Dark Souls 2, vom guten Steady Hand McDuff, dem Schmied. Er redet ein bisschen wirr, auch mit seiner Schmiede: „Flame, dear flame… I give you my all, and you waver and falter.“ Er erzählt diesem Feuer, dass es sich bitte irgendwie nähren möge und am Leben bleiben soll – was an sich natürlich schon einmal eine sehr poetische Grundsituation ist. Ich bin ein großer Fan der Dark Souls-Serie, das ganze Writing dahinter, die Art und Weise, wie Atmosphäre aufgebaut wird, ist etwas, das einfach sehr gut gemacht ist. Daher war Flame, Dear Flame einer der Vorschläge, der von mir in den Ring geworfen wurde. Das war nach dem Spielen bei mir einfach hängen geblieben und ich dachte mir, dass es dann so schlecht nicht sein kann. Wie gesagt, es gab diverse Vorschläge, aber bei Flame, Dear Flame dachten wir einfach, das passt: Diese Mischung aus Poesie und der Erhabenheit des Feuers, dazu diese Personifizierung und das tiefe Verhältnis zu diesem erhabenen Element.

André: Wo würdest du euch stilistisch einordnen? Du hast ja gerade schon von „Doom-Sound“ gesprochen. Auf eurer Facebook-Seite steht „Epic Doom“.

David: Wir wussten, dass wir uns in irgendeine Schublade stecken müssen. Das ist logisch und notwendig, damit die Leute irgendwie eine grobe Richtung haben. Mir ist aber auch klar, dass das Epic Doom-Label darauf ein bisschen irreführend ist. Ich würde uns nämlich nicht mit Candlemass, Solstice oder Scald vergleichen. Mir ist schon bewusst, dass das eine deutlich andere Spielart des Epic Dooms ist. Ich würde auch nicht unbedingt sagen, dass Flame, Dear Flame eine Doom Metal-Band ist, vielleicht sind wir noch nicht einmal eine Metal-Band, denn ich habe keine Ahnung, was mit dieser Band auf dem nächsten Album passiert. Das ganze Prinzip bei uns funktioniert so: Wir überlegen uns Geschichten, die wir transportieren wollen. Und dann setzen wir diese Geschichten um. Es war zum Beispiel zu keinem Zeitpunkt geplant, dass die B-Seite von Aegis diesen viel akustischeren, natürlicheren Touch bekommt. Da kann in der Zukunft also eine ganze Menge passieren. Deswegen ist es schwierig, uns da stilistisch wirklich einzuordnen. Wir haben das gar nicht richtig in der Hand. Es wird sicher Dinge von uns geben, die nicht allen gefallen, auch Aegis wird nicht allen Leuten gefallen. Und das ist komplett in Ordnung und mir sogar ziemlich wichtig. Wenn wir ein Album machen würden, das jedem gefällt, hieße das für mich, dass wir nichts Neues gemacht bzw. nicht genug experimentiert haben. Wir haben uns auf jeden Fall nicht eingeschränkt. Ich höre selbst auch lieber ein Experiment, bei dem auch einige Dinge nicht 100%ig funktionieren, als ein „Auf Nummer sicher“-Album.

Aidan: Du hast ja gerade geschildert, wie organisch das Songwriting bei euch verlaufen ist. Aber gibt es trotzdem Bands, von denen du sagen würdest, dass die euch beeinflusst haben?

David: Wir haben uns ja gerade über unsere Bandgeschichte unterhalten. Die Besetzung war erst ein bisschen anders. Gegründet wurden Flame, Dear Flame von Maren, meinem Bruder Jonas und mir. Mein Bruder ist schon länger nicht mehr dabei, er hat anderes zu tun. Er war zu Beginn am Songwriting von The Millennial Heartbeat beteiligt. Es war ganz spannend damals, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Ich selbst bin stark in der 80er-Heavy/Traditional-Ecke verwurzelt – mein Bruder kriegt da die Krise, er hat immer viel Black Metal gehört. Unsere Schnittmenge war dann BathoryHammerheart. Das war die Musik, von der wir sagten, dass wir davon ausgehen müssen. Es passte auch zu den Dingen, die wir transportieren wollten, da haben wir uns musikalisch gefunden – und schauten dann, wie es mit Marens Stimme dabei weitergehen kann. The Millennial Heartbeat würde ich aber gar nicht als Bathory-ähnlich bezeichnen, auch wenn die Tendenzen stellenweise deutlich da sind, wie zum Beispiel auch bei Atlantean Kodex – also die typischen Riffs und rhythmischen Muster, die man allesamt auf Bathory zurückführen kann. Aber natürlich ist es deutlich etwas anderes geworden. Ansonsten ist Maren von all den Vergleichen, die immer wieder gezogen werden, sehr wenig beeinflusst. So wie sie singt, hat sie eigentlich schon immer gesungen, das ist für sie natürlich. Mit The Gathering haben wir uns zum Beispiel erst so richtig beschäftigt als die Band in mehreren Reviews auftauchte. Lethean wurden übrigens auch noch genannt, deren Album The Waters of Death kam kurz vor unserer EP raus, das hat sich dann wohl zeitlich als Vergleich angeboten.

Aidan: Bei Booze Control hast du ja ganz andere Musik gemacht. Beeinflussen die Erfahrungen, die du bei Booze Control gesammelt hast, dein Songwriting bei Flame, Dear Flame?

David: Die Herangehensweise in Bezug auf das Songwriting ist grundverschieden. Wenn ich die Musik höre, merke ich aber schon, dass das eben meine Art ist, Melodien zu schreiben – da denke ich vor allem an die Gitarrenläufe. Hier hat jeder Gitarrist sein Repertoire an Dingen, die ausgepackt, gemixt und gematcht werden. Daher ist das Songwriting schon ähnlich. Man muss aber auch sagen, dass der Name Booze Control das irreführendste Ding auf der Welt ist. Die Musik war am Ende keine supereinfach gestrickte Party-/Sauf-Musik. Auf dem letzten Album Forgotten Lands gibt es längere Songs, die Strukturen sind nicht immer ganz geradlinig, im Gegenteil: Der Schlusstrack „Cydonian Sands“ ist über acht Minuten lang. Es war ein richtiges Gewurstel, den Track so hinzukriegen, daran haben wir jahrelang immer wieder gearbeitet – so, wie es auch bei Flame, Dear Flame der Fall ist. Was ich auf jeden Fall mitgenommen habe, ist die Erfahrung, wie Songwriting, eine Bandstruktur und das ganze Drumherum funktionieren. Bei Bands denkt man zuerst an Musik, aber ein nicht kleiner Teil des „Jobs“ sind diese ganzen organisatorischen Dinge außen rum. Wenn man ein etabliertes Label hat, so wie wir das nun mit Eisenwald haben, nimmt dies einem sehr viel Arbeit ab. Das hatten wir bei der EP zum Beispiel noch nicht, da hatte mir dann die Erfahrung aus meiner Booze Control-Vergangenheit sehr geholfen.

Im zweiten Teil unseres Interviews sprechen wir mit David ausführlich über Aegis, Festivals, Lieblingsplatten und noch einige andere Dinge.

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